A. Schmarsow, Grundbegriffe der Kunstwissenschaft, Leipzig und Berlin, 1905, 350 p.
Eine kritische Erörterung von Grundbegriffen der Kunstwissenschaft in systematischem Zusammenhang will selbstverständlich der Allgemeinheit dienen, die sich auf wissenschaftlichem Wege jeweilcn um die Erkenntnis der Kunst bemüht. Da scheint es dem höheren Zweck der Aufgabe zu widersprechen, wenn hier die Darlegung an eine bestimmte Periode der Iiistorischen Entwicklung geknüpft wird. Ein einzelner Zeitraum der Kunstgeschichte kann niemals alle Erscheinungen zugleich in vollem Maße darbieten ; denn die Entfaltung ist au mancherlei Bedingungen gebunden. Jede Betrachtung, die sich so beschränkt, wird auf den einen oder den anderen Teil der begrifflich denkbaren Möglichkeifen verzichten und die Grundanschauungen aus den verschiedenen Gebieten weder vollzählig vorführen noch erschöpfend behandeln können. Wer aber diesen unleugbaren Nachteil in den Kauf nimmt, mag dadurch andererseits sich große Vorzüge sichern. Mit den übersehbaren Grenzen gewinnt er konkrete Bestimmtheit und gleichartigen Charakter aller Beispiele, die unter sich in fühlbarer Verwandtschaft stehen, eben weil sie durch die nämliche Zeit bedingt sind. Auch in reicher Abwandlung werden sie ein Ganzes bilden. Gelingt es vollends einen Ausschnitt aus dem Gange der Entwicklung vorzunehmen, der auch Gegensätze von durchgreifender Art in sich vereinigt, so kann der Gewinn, der mit jenem Verzicht auf Vollständigkeit eingetauscht wird, so stark überwiegen, daß kein Historiker zweifeln wird, auch bei dem allgemeinen theoretischen Zweck sich für die Wahl eines solchen bedingten Schauplatzes zu entscheiden. Dazu kommt aber in unserem Fall noch ein besonderer Grund. [...]