J. Stambaugh, Untersuchungen Zum Problem der Zeit bei Nietzsche, (1959), Springer, 2013, 260 p.
Es mag etwas seltsam erscheinen, dass sich eine Untersuchung mit dem Problem der Zeit bei Nietzsche befassen sollte. Die Philosophie Nietzsches enthalt einen Reichtum von Begriffen und Gedanken, die für die verschiedensten Bereiche aufschlussreich sind und sich zu einer Mannigfaltigkeit von Auslegungen herge ben. Manche von Nietzsches Hauptgedanken, etwa der Tod Gottes, der Nihilismus, die Umwertung aller Werte, oder der Wille zur Macht sind ftir das sich wandelnde Verstandnis des Wesens des Menschen und der Welt ausschlaggebend gewesen. Sie sind fruchtbare Gedanken in dem Sinne gewesen, dass sie weiter ver wandelt und auf anderes Denken bezogen werden konnten. Eine ausdriickliche Beschaftigung mit der Zeit als solcher aber scheint nicht in das Schema von Nietzsches Grundproblemen hineinzu passen. Er machte keine ausführlichen genauen Analysen tiber sie, machte sie nie thematisch, wie es viele Denker sowohl vor als auch nach ihm taten. Es hat sogar zunachst den Anschein, als bewegten sich seine Ausserungen tiber sie in dem Bereich eines etwas oberflachlichen Verstandnisses und einer fraglosen ’Ober nahme der Analysen der Tradition. Man muss sich aber davor htiten, den absoluten Mangel an systematischem Prunk bei Nietzsche mit einer Art von Ungeduld und Unvermogen zu strengen Analysen zu verwechseln. Jeder Denker von Rang hat seine eigene Art von Strenge, die seiner einmaligen Aufgabe und seiner eigen ttimlichen Verfahrensweise erwachst und tiber die vermittelst von Massstaben, die einem anderen Denken und Problemzusammen hang entnommen worden sind, nichts entschieden werden kann.
